"X-Men: Apocalypse" hat formal nahezu alles, um als "episches Werk" von heute durchzugehen. Trotz allem ist es kein (post)modernes Film-Epos. Das entscheidende Kriterium fehlt.
Dieser Film bietet epische Helden und ihre Schlachten, eine epische Handlung und Moral, epische Mythologie, epische Musik, Akustik und Szenerie - und fast alles andere, was man episch nennen darf. Alles an dem Hollywood-Blockbuster ist episch, außer die Rezeption.
Ein Kinogänger wird vielleicht begeistert oder zumindest beeindruckt aus dem Film herausgehen. Er wird womöglich sogar mit dem für ein Epos typischen Staunen an den Film zurückdenken. Die großen Heldinnen und Helden des Werks werden uns als strahlende Vorbilder in Erinnerung bleiben. Wir haben Teil an ihrem übermenschlichen Wagemut und ihrer grenzenlosen Tugend.
Und doch ist dieses fabelhafte Werk noch kein Epos. Denn dazu gehört nicht nur das Werk, sondern auch das entsprechende Publikum. Das eigentliche Epos ist eine dialektische Beziehung zwischen dem epischen Werk und der heldenhaft gesinnten Anhängerschaft des Geistes, von dem das Werk erzählt.
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Das epische Publikum und seine Rezeption gibt es nur da, wo es einen epischen Weltzustand gibt, eine revolutionäre Situation. Da dieser Zustand für die meisten Filmkonsumenten nicht gegeben ist und kaum einer von uns je zum Helden wird, kann also auch bei "Apocalypse" nicht von einem Epos geredet werden. Ein wirkliches Epos für unsere Zeit muss erst noch durch einen revolutionären Aufbruch möglich werden.
Soll heißen: Erst wenn draußen vor dem Kino die Barrikaden stehen, wenn sich die Massen zur revolutionären Heldentat entschieden haben, wenn Polizeistationen brennen und die korrupten Politiker ins Ausland fliehen, wird ein echtes filmisches Epos möglich sein. Im Grunde können nur reale Helden Teil eines epischen Publikums sein. In Deutschland ist ein Epos daher unwahrscheinlich. Die Deutschen sind keine Helden, sondern wundern sich nach dem Kinobesuch mit dem gewohnten Schafsblick über jede epische Fantasterei.
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