Sonntag, 17. Januar 2016

Rüdiger Heescher: Kampagne gegen Wohlstandschauvinismus

Rüdiger Heescher hat eine bemerkenswerte Intervention in der Freitag-Community vollzogen. Die Kernthese ist:

Wenn wir in der Linken eine kulturchauvinistische Entwicklung verhindern wollen (die Folgen einer Identitätspolitik), dann müssen wir über Wohlstandschauvinismus reden.

Kampagne gegen Wohlstandschauvinismus

Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Rüdiger Heescher


Ich habe jetzt die Lösung gefunden!
Was ist Wohlstandschauvinismus?
Es zeichnet sich aus durch das sich Erheben über andere Menschen durch Wohlstand, der zeigt, wie erfolgreich und gut jemand ist. Wohlstandschauvinismus wird erhalten und ausgebaut indem man Entwicklungsmöglichkeiten anderer verhindert, weil sie nicht den eigenen Stand erreichen sollen, denn man ist ja mehr wert als andere und das soll auch so bleiben. Dieses lässt sich international überall beobachten und auch im innerdeutschen Verhältnis zu Menschen, die nicht ursprünglich deutsch sind. Wenn man aktiv verhindert, dass Menschen nie den gleichen Wohlstandsstatus erlangen können, um so auch auf Augenhöhe zu kommen im Ansehen und Wertigkeit, dann ist das automatisch eine Diskriminierung. Es wird nicht als solche gesehen, denn man glaubt aufgrund des eigenen Geburtsrechts, dass man per se mehr Anspruch hat als andere.
Ein Wohlstandschauvinismus führt automatisch zu einer Form der Apartheid, die Menschen ausschliesst, weil sie als Menschen angesehen werden, die weniger wert sind. Daher werden auch Anschläge auf Migranten im Inland nicht gleichwertig betrauert, wie Anschläge auf Biodeutsche. Daher sind ausländische Todesopfer nicht so viel wert wie die der eigenen "zivilisierten" Wohlstandsdeutschen. Calvinistisch immer noch geprägt, drückt sich so auch der Wert der Menschen immer nur an dem Wohlstand aus den derjenige sich vermeintlich erarbeitet hat. Doch was und wieso hat er sich diesen Wohlstand erarbeitet? Letztlich läuft es immer auf das gleiche Prinzip heraus. Und es ist wieder mal das kapitalistische System, was mechanisch funktioniert wie ein Uhrwerk: Wir haben international gesehen immer verhindert, dass Länder des Südens sich entwickeln konnten. Schliesslich waren es ja mal unsere (westlichen Welt) Kolonien. Sie dienten der Ausbeutung. Menschen dort hatten nicht den gleichen Wert, wie Menschen aus der westlichen Welt. (Calvinismus ganz praktisch) Der Wohlstand ist also durch Ausbeutung dieser Länder und Menschen entstanden und wird auch weiterhin so vollzogen. Der Klimagipfel in Paris könnte es jetzt erstmals verändert haben, dass man diesen Menschen endlich Entwicklungschancen zugesteht. Es ist also kein Verdienst des einzelnen Menschen in den westlichen Ländern, dass er sich Wohlstand erarbeitet hat, sondern er hatte nur das Glück, dass er in einem solchen Land geboren wurde. Genauso läuft es auch innerdeutsch. Man hat sich angewöhnt zu glauben, dass Gastarbeiter/Flüchtlinge froh sind wenn sie die Strasse kehren dürfen, um dafür ein paar Euro zu bekommen. Man kennt das schon bei Ein-Euro Jobber mittlerweile, dass es auch hier so gesehen wird. Doch jetzt könnte es sich erstmals wenden, dass man sieht, dass vor allem gebildete Syrer, die als Arzt hierher kommen sich nicht damit begnügen als Krankenpfleger zu arbeiten. Oder dass ein Architekt sich nicht damit begnügt auf dem Bau als Maurer zu arbeiten. Wir sind es ja mittlerweile gewohnt durch Hartz 4 und Agenda 2010, dass man Journalisten empfehlt Zeitungen auszutragen. Das wäre ja berufsnah. Aber das kann sich nun ändern und würde eine neue Wendung geben im Wohlstandchauvinismusdenken des Biodeutschen. Warum? Weil wir jetzt eine Krise dieses Systems haben, wo jeder Mittelstandsdeutsche davon betroffen sein kann - von heute auf morgen. Das erzeugt auch die Reflexe, warum wir nun einen massiven Wettbewerb gerade im Mittelschichtsmilieu haben und erst recht nach unten getreten wird. Die Angst vor dem Abstieg ist gross, aber auch wahrlich berechtigt, denn jeder spürt, wie es immer weiter bergab geht. Man wird also nicht drum herum kommen grundsätzlich Fragen zu stellen, die natürlich das System verhindern möchte. Rassismus ist dann immer ein gutes Ventil gewesen.
Doch genau diese Frage ist der Schlüssel für eine neue kommunistische Bewegung. Viele wie ich selbst glaubten lange, dass der Schlüssel liegt in der Eigentumsfrage. Das ist zwar einerseits richtig, weil es die grundsätzlichste Frage ist, aber damit kann man keinen erreichen, der nicht theoriefest ist. Die Frage die bewegt und die eigentliche Frage ist, lautet aber die des Wohlstandes als Chauvinismus, welches uns automatisch auch zu Kulturchauvinisten macht und damit dem Rassismus Futter gibt. Um das zu verhindern müssen wir also eine Kampagne zu Wohlstandschauvinismus machen. Wohlstandschauvinismus umfasst alle politischen Bereiche. Vom Hartz 4 Empfänger bis hin zum Klimawandel und den Entwicklungschancen der Länder des Südens. Es ist wahrlich eine kommunistische Bewegung, die Kulturchauvinismus und Rassismus verhindern lassen und so zum eigentlichen Problem, dem calvinistisch geprägten Kapitalismus führen.


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.