Samstag, 3. Mai 2014

Borotba: "Nationalistischer Terror in Odessa: über vierzig Menschen gestorben, hunderte Verletzte"


In diesen Tagen eskaliert der Konflikt zwischen den rechten Terroristen und dem antifaschistischen Widerstand in der Ukraine. Die Ukraine steht am Anfang eines Bürgerkrieges. Freiheitsliebende Progressive und ultrarechte Konterrevolutionäre stehen sich gegenüber. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.

Die antifaschistische sozialistische Organisation "Borotba" (russ.: Streit, Kampf) nimmt seit längerem am antifaschistischen Widerstand gegen den aufsteigenden Faschismus in der Ukraine teil. Als aktive Widerstandsgruppe ist "Borotba" eine Zielscheibe des rechten Terrors und hat mit dem neonazistischen Massaker von Odessa am 2. Mai 2014 seine ersten Todesopfer zu beklagen. Den verstorbenen Genossen gebührt alle Ehre für den Einsatz ihres Lebens im Kampf gegen den Faschismus. Der ukrainischen Linken und Demokratie gebührt hingegen alle Solidarität, die die internationale Linke bieten kann. Und den Ultrarechten und den Reichen und Mächtigen hinter ihnen gebührt die soziale Revolution...

"Borotba" hat am 3. Mai eine Erklärung zum rechten Terror in der Ukraine veröffentlicht, die hier zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wird. Im Folgenden die vollständige Übersetzung der Erklärung auf www.borotba.de:



Nationalistischer Terror in Odessa: über vierzig Menschen gestorben, hunderte Verletzte


Anlässlich des Fußball-Spiels zwischen "Schwarzmeer" und den "Metallisten" am 2. Mai wurden unter dem Vorwand eines Marsches "für die Einheit der Ukraine" aus verschiedenen Städten des Landes Sturmabteilungen ukrainischer Nationalisten nach Odessa entsandt, die mit Zügen und Kleinbussen ankamen. Anfangs, als sie sich am Domplatz versammelten, waren diese Milizkämpfer unter den gewöhnlichen ultrarechten Fußballfans gut daran erkennbar, dass sie mit Schilden, Helmen, Knüppeln und nicht-letalen und Gefechtsgewehren ausgerüstet waren. Es waren hauptsächlich Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, die keine Fußballfans waren. Auf den Schilden einiger fand sich die Aufschrift der "14. Selbstschutz-Hundertschaft". Genau diese Nazi-Milizen veranstalteten eine blutige Vergeltungsaktion an den Odessaern auf dem Kulikow-Feld.

Insgesamt nahmen über tausend Menschen auf Seiten der Nationalisten am Marsch und der Schlacht teil. Eine Minderheit unter ihnen waren Bewohner Odessas. Die Mehrheit waren entsandte Milizkämpfer. Da viele sich nicht entblödeten, selbst auszusprechen, woher sie kamen, entlarvten ihre herausstechenden Aussagen sie. Die örtlichen Fußballfans von "Schwarzmeer" verließen den Zug massenweise als das Handgemenge anfing. Die "Schwarzmeer"-Fans waren zum traditionellen Fan-Marsch zum Stadion gekommen. Sobald klar wurde, dass die eingeschleusten Provokateure sie zu Gewaltakten gegen die Odessaer führen wollten, verließen die meisten Fans des Odessaer Fußballclubs den "friedlichen" Marsch. Zugleich war der Zug zum Stadion zu keiner Zeit das Ziel der zugereisten Schlägertruppen, sondern es war der Terror gegen die Bewohner der Stadt und Vergeltung an Aktivisten der Bewegung gegen die Kiewer Junta. Die Aktion der Nationalisten hatte von Anfang an einen unfriedlichen Charakter. Sie waren auf ein Gemetzel vorbereitet.

Die Polizei konnte nur sehr wenige Mitarbeiter aufbieten, obwohl schon der personelle Bestand der Polizei aus dem Gebiet von Odessa alleine ausgereicht hätte, um die tausendköpfige Menschenmenge daran zu hindern, Pogrome und Morde zu begehen. Wie sich später zeigte, erhielten die meisten Polizisten den Befehl, die Verwaltung des Innenministeriums zu schützen. Auf diese Weise wurde die Stadt neonazistischen Schlägern überlassen. Das erstaunt nicht, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass der aktuelle Innenminister Arsen Awakow alte und enge Verbindungen zu neonazistischen Gruppierungen pflegt, die nun im Rechten Sektor aufgegangen sind.

Als sich die Nationalisten-Kolonne entlang der Griechen-Straße bewegten, versperrten ihnen einige (200-250) Aktivisten aus Odessa den Weg. Die Gegner der Nationalisten wurden mit Steinen, Flaschen und Blendgranaten beworfen. Es waren Schüsse zu hören. Ein Aktivist von "Borotba", Iwan, erlitt eine Schusswunde aus einem Gefechtsgewehr in die Bauchhöhle. Schließlich versteckten sich die Aktivisten aus Odessa im Einkaufszentrum "Afina" auf dem Griechen-Platz. Die Nationalistenmenge forderte eine Vergeltung an ihnen. Hier nun, auf dem Griechen-Platz, machten die Schläger Molotow-Cocktails, um das Einkaufszentrum und die verbarrikadierten Aktivisten "auszuräuchern". Der Polizei gelang es, das Leben der Aktivisten zu retten, indem sie direkt am Eingang des Einkaufszentrums Gefängniswagen ("grüne Minnas") positionierte.

Sodann bewegte sich die Neonazi-Masse in Richtung des Feldes von Kulikow, wo sich ein Zeltlager der Gegner der Kiewer Junta befand. Borotbisten befanden sich an diesem Tag mit anderen Aktivisten Odessas dort. Im Lager gab es etwa 200 Menschen, von denen die Hälfte aus Frauen und älteren Männern bestand.

Die Neonazis fingen an, das Zeltdorf mit Molotow-Cocktails zu bewerfen, sodass es zum Brand kam. Die Aktivisten auf dem Kulikow-Feld waren gezwungen, sich in das Gewerkschaftshaus zurückzuziehen, das sich ganz in der Nähe befand.

Um an den Odessaern Vergeltung zu üben, steckten die Ultrarechten die erste Etage des Gewerkschaftshauses in Brand. Das Feuer breitete sich schnell aus.

Leute fingen an, sich aus den oberen Etagen des Gebäudes zu stürzen, um sich vor dem Feuer zu retten. Auf den Straßen wurden sie dann von den Nazi-Schlägern empfangen. So verstarb ein Mitglied von "Borotba", unser Genosse Andrej Brazhewskij. Ebenso bestialisch ging man mit einem bekannten Gesicht und Anführer der "Borotba" von Odessa, unserem Bundesgenossen Alexej Albu, um, der aus aus dem Fenster des Regionalabgeordneten Wjatscheslaw Markin gestürzt war.

Über dreißig Aktivisten sind bei lebendigem Leibe verbrannt, erstickt oder von den Nazis nach der Flucht aus dem brennenden Gebäude ermordet worden. Glücklicherweise ist es den meisten unserer Genossen gelungen, mit dem Leben davon zu kommen. Mehrere unserer Genossen, zu denen auch der Anführer der "Borotba" von Odessa und Regionalabgeordneter Alexej Albu gehört, wurden brutal geknüppelt und getreten. Sie erlitten zahlreiche Prellungen, Brüche oder Schädel-Hirn-Traumata.

Das Blutbad in Odessa wurde von der Kiewer Junta organisiert, um der Bevölkerung, die mit dem neuen Regime unzufrieden ist, Furcht und Schrecken einzujagen, und, um an den aktiven Widerstandskämpfern Vergeltung zu üben. Davon zeugen sowohl die gute Vorbereitung der entsandten Schläger und die Inaktivität der Polizei wie auch die Gleichzeitigkeit des terroristischen Überfalls der Ultrarechten in Odessa und der "antiterroristischen Operation" in Slawjansk.

Die Kiewer Junta nimmt Kurs auf Vergeltung mit ihren politischen Widersachern. Als Werkzeug dieser Vergeltung dienen die neonazistischen Schläger, die in engem Kontakt mit Spezialeinheiten arbeiten, die von der Oligarchie gut bewaffnet und finanziert wurden.

Das Massaker in Odessa zeigt, dass das Regime der Nationalisten und Oligarchen in Kiew sich immer mehr einer offen-terroristischen Diktatur faschistischen Typs annähert. 

Der Rat von "Borotba", 03. Mai 2014.