Das eigentliche Problem bei ihm ist etwas ganz anderes als angeblicher Antisemitismus oder Nationalismus (dass er sich teils ungünstig und teils mehr als provokativ ausdrückt, ist untrüglich). Es fehlt ihm an organisatorischer Perspektive, an einem historischen Rahmen und an kluger Bündnispolitik. Deswegen bewegt sich da viel, aber es läuft ins Leere und damit Gefahr, zu noch mehr Enttäuschung zu führen. Ein Genosse drückte das Problem so aus:
"Es fehlt bei Ken leider jede konkrete Perspektive. Welches alternative Wirtschaftsmodel meint er, wie erreicht man das? Kein Wort über Organisierung, kein Wort darüber, wo und wie soziale Kämpfe geführt werden müssen. Was erzählt er den Leuten? Sie sollen sich einmal die Woche irgendwo hinstellen und sich unterhalten??? Was ist mit Gewerkschaften? Was ist mit Generalstreik? Von einer kämpferischen Partei ganz zu schweigen. Das Problem ist nicht Ken Jebsen, das Problem ist, dass wir keine Leute haben, die sich in Plauen hinstellen und den Menschen wirklich einen Weg und eine Perspektive aufzeigen. Das Problem ist die Schwäche und Zersplitterung der marxistischen Linken."
Es formiert sich innerhalb der Linken mit einjähriger Verspätung eine gedankliche Solidarität mit Ken Jebsen, der wie kein Mensch im Land der Verleumdung von allen Seiten ausgesetzt war und sich trotz allem nicht ins Private zurückgezogen hat. Wenn die Linke Leute wie ihn für sich gewinnen könnte, wäre für die Menschen in Europa schon viel gewonnen.
Ken Jebsen in Plauen, 8.11.2015 |
Und das Versagen der europäischen Linken in der Friedensfrage, in der europäischen Frage und im Kampf um gesellschaftliche Hegemonie in den imperialistischen Zentren wie Deutschland und Frankreich wird immer offensichtlicher. In Deutschland wird der traurige Zustand der SozialistInnen allein schon durch die bloße Existenz der "antideutschen", neokonservativen Ideologie veranschaulicht, die nur aufgrund der Schwäche der Linken in den Köpfen wirrer Mittelschichtskinder herumschwirren kann. Alle Welt schaut auf Deutschland. Alle SozialistInnen der Welt schauen auf die deutsche Linke. Und die deutsche Linke - was tut die? Den erfolgreichsten linken Agitator der letzten Jahrzehnte gemeinsam mit den Leitmedien, Grünen, ex-grünen Adligen, Sozen, "Christ"demokraten, "Anti"deutschen und Ultrarechten verleumden, anstatt eine kluge Bündnispolitik und antifaschistische Taktik im Kampf gegen den absteigenden Kapitalismus und aufsteigenden Faschismus zu entwickeln. Die linken Sektierer tun so, als hätten sie superbe Spielregeln für linke Politik und als wäre Jebsen ein böser Spielverderber. Ein kluger Genosse stellte dazu fest:
"wer hat hat denn bei den Linken und vor allem bei den Kommunisten in Deutschland eine Alternative? Da habe ich nach den Ereignissen in Griechenland vor allem das Wort Verrat gehört. Ab Mittwoch hat (hoffentlich) auch Portugal eine linke Regierung, und ich fürchte aus den ultra-linken Zentren in Deutschland wird dann auch gleich wieder Verrat geschrien, wenn am Donnerstag in Lissabon nicht gleich Barrikaden gebaut werden und die Suuperreichen unter die Guillotine kommen. Aber es gibt den perfekten Weg nicht, und in Griechenland und in Portugal und einigen anderen Ländern Europas sind die Volksmassen viel weiter als in unserem lieben Land. Man muß die Wege im HEUTE suchen und nicht nur in 120 Jahre alten Schriften, obwohl die auch ihre Bedeutung haben. Dass das in Deutschland bis heute nicht begriffen wurde, liegt auch an den ewig zerstrittenen, ewig besserwisserischen Linken in unserem Land."
Ja, es fehlt der deutschen Linken die Perspektive. Da ein radikalisierter Kleinbürger und Linkspopulist wie Ken Jebsen alleine mehr Anhänger hat als die ganze deutsche Linke insgesamt, ist die organisierte Linke natürlich besorgt. Anstatt in ihm einen großartigen Bündnispartner zu entdecken - sei er noch so schwankend und selbst letztlich perspektivlos -, unterstützt man die großbürgerliche, spießbürgerliche und adlige Hetze gegen diesen radikalen Demokraten. (Ja, gemeint ist auch die Hetze von Jutta von Ditfurth, die die Verkörperung der Zweischneidigkeit des deutschen Ultraradikalismus ist: Kluge Kritik an den Grünen einerseits und linkes Elitegehabe andererseits.)
Dabei liefert ausgerechnet dieser sich in Rage redende Journalist, anarchistische Wutbürger und mutige Populist die Lösung der linken Krise: authentischen Linkspopulismus. Lafontaine, Wagenknecht, Gysi und andere begabte Redner der Linken sind eher Ausnahmen, denn sie beherrschen den Linkspopulismus meisterhaft. Allerdings wirken sogar sie auf viele Bürger nicht mehr authentisch, weil die Linkspartei sich ungewollt zu weit von den einfachen Massen entfernt hat. Viele unpolitische Bürger, "besorgte Bürger" und "Wutbürger" setzen nicht nur die Antifa mit dem Faschismus gleich, sondern auch die Linkspartei mit den anderen Parteien im Bundestag. Das liegt nicht unbedingt daran, dass sie alle rechts wären. Es liegt vor allem an den postdemokratischen Zuständen im Lande und am Versäumnis der sozialistischen Bewegung, eine breite Massenbewegung gegen diese Zustände zu werden. Kein Wunder, können doch die meisten deutschen SozialistInnen von heute den breiten Massen kaum glaubhaft verklickern, dass es sich für sie lohnen könnte, sich der sozialistischen Bewegung anzuschließen. Ken Jebsen dagegen politisiert und mobilisiert zuvor unpolitische und apathische Schichten der Bevölkerung. Das wäre eigentlich die Aufgabe der KommunistInnen im Land. Die bittere Realität beschrieb ein Genosse mit folgenden Worten:
"Als alter Erz-Trotzkist sage ich: Ken Jebsen hat mehr kritisches Bewusstsein in weiten Teilen der Arbeiterklasse (und die gibt es wirklich, 70-80% der Bevölkerung) bewirkt und durch seine aufrichtige und transparente journalistische Arbeit mehr systemkritisches Potential erzeugt, als die gesamte lumpige 'linke Szene' in den letzten 30 Jahren. Und als Zeitzeuge weiß ich da genau, was ich sage."
Alles das könnte auf die Idee bringen, dass die deutsche Linke wieder zum Marxismus finden muss, um mit der hochgradig gefährlichen Situation, die die gegenwärtige Weltlage prägt, zurechtzukommen. Alles das könnte dazu verleiten, die hegemonietheoretischen und bündnispolitischen Überlegungen der großen marxistischen Denker und Denkerinnen auch einmal praktisch umzusetzen, anstatt sie bloß in Seminaren für Studierende zu debattieren. Einer dieser Denker, Lenin, mahnt uns heute noch:
"Einen mächtigeren Gegner kann man nur unter größter Anspannung der Kräfte und nur dann besiegen, wenn man unbedingt aufs angelegentlichste, sorgsamste, vorsichtigste, geschickteste sowohl jeden, selbst den kleinsten 'Riß' zwischen den Feinden, jeden Interessengegensatz zwischen der Bourgeoisie der verschiedenen Länder, zwischen den verschiedenen Gruppen oder Schichten der Bourgeoisie innerhalb der einzelnen Länder als auch jede, selbst die kleinste Möglichkeit ausnutzt, um einen Verbündeten unter den Massen zu gewinnen, mag das auch ein zeitweiliger, schwankender, unsicherer, unzuverlässiger, bedingter Verbündeter sein. Wer das nicht begriffen hat, der hat auch nicht einen Deut vom Marxismus und vom wissenschaftlichen, modernen, Sozialismus überhaupt begriffen. Wer nicht während einer recht beträchtlichen Zeitspanne und in recht verschiedenartigen politischen Situationen praktisch bewiesen hat, daß er es versteht, diese Wahrheit in der Tat anzuwenden, der hat noch nicht gelernt, der revolutionären Klasse in ihrem Kampf um die Befreiung der gesamten werktätigen Menschheit von den Ausbeutern zu helfen. Und das Gesagte gilt in gleicher Weise für die Periode vor und nach der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat."
Viel Überwindung den GenossInnen, die endlich bereit sind, von ihrem hohen Ross abzusteigen und sich mal ernsthaft mit der Frage der Hegemonie auseinanderzusetzen. Und viel Spaß mit der brillanten Rede Jebsens.
jebsen ist also ein kleinbürger und linkspopulist ohne perspektive? ahaha! scheinst dich jetzt nicht sooo mit seiner arbeit befasst zu haben. ich mein, warum besprichst du ein thema, bei dem du dich offensichtlich nicht auskennst? erst recherchieren, dann berichten und nicht andersherum, gelle.
AntwortenLöschenDann erzähl mal was von seinen Visionen, wie seine neue Gesellschaft aussehen soll? Halte ihn auch für sehr kompetent, aber er prangert eben nur Missstände an, bietet aber, jedenfalls öffentlich, keine Alternativen, was Populisten auszeichnet. Denk aber, er macht das absichtlich, um nicht zu spalten, um keine kleinklein Diskussionen loszutreten.
AntwortenLöschenFrage: Ist es die Aufgabe eines Journalisten alternative Wirtschaftsmodelle gleich mitzuliefern?
AntwortenLöschenAnsätze für eine bessere Politik gibt es doch in Hülle und Fülle. Ob wir von der Postwachstumsökonomik von Niko Peach reden, der Gemeinwohlökonomie von Christian Felber, dem Plan B von Popp und Albrecht, der Theorien eines Franz Hörmann, oder der Friedensarbeit eines Daniele Ganser. Ja sogar Militärs wie Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose und anderen vom Darmstädter Signal haben Ideen wie der Frieden erhalten werden kann und wir diesen Hegemon die USA endlich loswerden. Es sind letztendlich die Menschen die einfach Angst vor der Veränderung haben. Die Rentner die durch eine Rente gekauft werden, die Beamten und der öffentliche Dienst die man mit Arbeitsplätzen kauft. Volker Pispers hat es sehr gut formuliert, der Zug steuert mit voller Geschwindigkeit auf den Abgrund zu, alle wissen es aber die Notbremse ziehen, neee da könnte man sich ja den Kaffee über die Hose kippen, was für eine Unglück. Ich wünsche mir das vor allem meinen Enkelkindern ein viel größeres Unglück erspart bleibt, aber allein der Wunsch wird der Vater des Gedanken sein!
AntwortenLöschenIch glaube, dass es hier ein grundsätzliches Missverständnis gibt: DIE LINKE ist keine marxistische sozialistische Partei, sie ist einfach eine bürgerliche Partei – sie ist, bis auf die Anzahl der Wähler, das, was die SPD zu Zeiten von Brandt und Schmidt war, nämlich eine sozialdemokratische Partei.
AntwortenLöschenAlle bürgerlichen Parteien haben sich in den letzten Jahren an den rechten Rand bewegt: CDU/CSU sowieso, die FDP ist weg vom Fenster, die Grünen haben sich zu einer kriegstreibenden neoliberalen Partei gewandelt, und die SPD ist nur noch eine rechte Zweigstelle der CDU unter falschem Namen (Bad Bank der CDU).
Die CDU/CSU/SPD/Grünen sollten sich zu einer neuen Partei zusammenschließen: NEPP (Neoliberale EinheitsPartei Postdemokratiedeutschlands, ehemals CDUCSUSPDGrüne). Dann könnte sich DIE LINKE umbenennen in SPD und alles wäre wieder am richtigen Platz.
Nicht dabei zuschauen! Reingehen! Ändern! Es geht! Was ich nie auf dem Schirm hatte: Die Ideenlosigkeit und Ohnmachtsgefühle innerhalb einer Partei... Sie WARTEN auf Leute, die sie mitziehen, die sie begeistern... Allerdings muss man als so jemand, ein richtig dickes Fell haben und unglaublich viel Selbstbewusstsein, man muss Konflikte aushalten und austragen können und darf sich nicht vom Kompromisgebrabbel einlullen lassen... Warum bewegt sich die Sache nach "rechts" ins "neoliberale"? - Weil alle Visionäre sich lieber ins "private" und "unpolitische" zurückziehen und sich von den "Realos" ins Bockshorn jagen lassen... Ist wie in Plauen: Die AFD und DSU-Vertreter/innen sprachen auf und die "Linken" schauen zu, meckern und trauen sich nicht hin, geschweige denn einzugreifen... Man versteckt sich hinter "Die sind doch alle "rechts"... Ja, super, Schubladendenken hilft uns ja so großartig weiter! Also: dickes Fell zu legen - reingehen und mitgestalten - nicht mehr länger "gestalten lassen"... (Man MUSS dazu natürlich nicht in die Parteien, aber warum eigentlich nicht? Man sollte doch überall ansetzen!)
LöschenIch denke, dass es gerade nicht darum geht, dass am Mikro jemand steht, der den Zuhörern erzählt wo es langgeht, sondern der seine Zuhörer aufruft endlich ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen und sich in ihren Handlungsoptionen nicht mehr von denen abhängig zu machen, die ihnen was erzählen oder die sie alle vier Jahre wählen. Die Perspektive kann nur im und aus dem Kollektiv entstehen. Ich denke, das ist es wozu Ken Jebsen letztlich aufrufen möchte. Und dafür verdient er eigentlich jede Unterstützung
AntwortenLöschenSchön, dass darüber diskutiert wird. Ich denke wirklich, dass die linken, demokratischen und friedensorientierten Kräfte einen offenen Dialog anstreben und die allgemeine Krise zusammen angehen sollten. Die Sektiererei bringt nicht weiter. Die Verrückten an der Macht freuen sich natürlich über eine schwache und völlig zerstrittene Gegenwehr.
AntwortenLöschenDanke für die Kommentare. Leider habe ich nicht so viel Zeit gerade, um ausführlicher zu antworten. Der Blog hier wird sich dem Thema weiterhin widmen.