Das Epos ist so antiquiert, dass sogar für die Autoren, die die großen Werke verfasst haben, die eigentlich epischen Taten ihrer Helden längst vergangen waren. Hätte man diese alten Erzählungen nicht niedergeschrieben, wären sie heute gänzlich verloren. Die Iliaden, Odysseen, Mahabharatas, Überlieferungen von chinesischen Urkaisern und Niebelungenlieder sind scheinbar nur noch Sache von Literaturprofessoren und anderen Freaks. Nur noch die Überreste des Bildungsbürgertums von gestern klammern sich, dem Scheine nach, an die letzten Überreste heldenhafter Erzählungen.
Alle Anderen scheint der alte Plunder nicht weiter zu kümmern. Epische Heldentaten sind ja nicht mehr zeitgemäß. Heldentaten und Heroismus ist sowieso ziemlich out. Heute geht man shoppen, Pokémon fangen, aus Protest gegen selbst verschuldete Politik Alternativen für Deutschland wählen, auf den Ringstraßen und im Veedel Schürzen oder Cocktails jagen und dabei davon träumen, wie man Pillen auf Ibiza einnimmt. Allenfalls wartet man noch auf die nächste Staffel von "GoT" oder die filmischen Heldentaten des nächsten "xXx".
Gleichzeitig ist auch heute weiterhin die Rede vom "Epischen". Bei youtube findet man stundenlange Ansammlungen von "epic music", die eine ideale Unterlegung für Filme mit "epischen Schlachten" und "epischen Helden" liefern könnten. Dann gibt es noch die "epic rap battles of history", in denen allgemein bekannte historische Persönlichkeiten gegeneinander rappen. "Episch" sind natürlich auch die Zweikämpfe zwischen berühmten Boxern wie Ali und Frazier oder solcher Filmfiguren wie Batman und Superman. Riskante Sprünge von parcour-Kids in den Pariser banlieues sind mindestens genauso episch.
Das Epische in diesem Sinne lässt einen vor Erfurcht erstarren, bereitet Gänsehaut, provoziert Ausrufe des Erstaunens und erfüllt Einen mit Bewunderung und gar Stolz. Darüber befragt, was es denn für sie sei, definierte ein junges Mädchen "episch" ganz trefflich erst vor wenigen Tagen als: Etwas, das cooler sei als cool, etwas so Großartiges, dass es einen "woaaah!" ausrufen lässt, das einem die Sprache verschlägt und ganz allgemein gewaltige Gegensätze aufeinanderprallen lässt - und das, obwohl sie nur einen einzigen Absatz von Georg Lukács und noch nie Hegel gelesen hatte.
Das Epische ist also nicht einfach tot, es ist allenfalls untot. Wie ein gefangener Unsterblicher schläft es in der Welt der Künste und wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt für eine effektvolle Wiedergeburt (wie etwa "Apocalypse"). Es ist im Grunde das Plusquamperfekt der Poesie, welches einen gedanklichen Abschluss mit einer neulich erst verblassten Gegenwart erfordert. Das Epos ist damit, wenn es heute wieder entsteht, sowohl die reinste Nostalgie wie auch die bombastische Verkündung einer neu anbrechenden Epoche.
"Epic Vampire" |
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