Freitag der dreizehnte 2015 wird in die Geschichte eingehen. Am 13. November 2015 kam es zu einem Terroranschlag in Paris, der dutzenden Menschen das Leben kostete. Mehrere Täter wurden im Anschluss von französischen Spezialkräften getötet. Nur wenige Monate nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris ist es somit wieder zu einem schockierenden Ereignis für die Franzosen und darüber hinaus vermutlich auch für viele weitere Menschen weltweit gekommen. Der Anschlag ist in doppeltem Sinne ein erneuter Angriff auf die Freiheit und das Leben friedlicher Menschen.
Denn wie bei 9/11 vor allem die Amerikaner traumatisiert wurden, wird nach dem Terror "hier bei uns" mitten in Europa die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt sein. Wie 2001 auf dem amerikanischen Kontinent wird nun auch auf dem europäischen Kontinent die Innenpolitik eine Umwälzung erfahren. Auch die Außenpolitik wird mit Sicherheit einer solchen Umwälzung unterliegen. Doch man kann vermuten, dass diese Umwälzung keineswegs revolutionären, demokratischen oder freiheitlichen Charakters sein wird, sondern vielmehr eine "präventive Konterrevolution" legitimieren wird.
Die präventive Konterrevolution
Man kann davon ausgehen: Die Imperialisten Europas werden mit dem heutigen Tag die Gesetze verschärfen und immer öfter das Militär im Inneren und Äußeren einsetzen. Vorgeschobener Grund wird vermutlich sein, dass man mit diesen Maßnahmen Islamisten, Terroristen und "Extremisten" allgemein ausfindig und unschädlich machen wolle. Aber in Wirklichkeit werden die Verschärfungen vor allem dazu dienen, um die Innen- und Außenpolitik ohne nennenswerten Widerstand umzugestalten. Der Umbau der Staatsapparate wird gewiss dazu dienen, die Bevölkerung zu kontrollieren, an den Staat zu binden und für rassistische Proteste zu mobilisieren, während zugleich die Bügerrechte für vermeintliche Sicherheiten weiter beschnitten werden, demokratische Opposition unterdrückt, die Presse stärker zensiert und direkter gelenkt wird, und nicht zuletzt werden die Interventionen im Ausland im Namen des "War on Terror" besser legitimiert. Darauf kann man wetten.
Das wird nichts anderes sein als die Fortführung der "präventiven Konterrevolution", die spätestens seit Mitte der 70er Jahre in Form des Neoliberalismus begonnen wurde. Der neoliberale Umbau der Staaten in globalem Maßstab seither markierte eine neue Phase des Kapitalismus. Dieser Kapitalismus schien ein deregulierter, marktradikaler und postdemokratischer zu sein. Gegenwärtig findet womöglich die Vertiefung der vorbeugenden Konterrevolution statt. Und der 13. November markiert vielleicht eine neue Phase des Kapitalismus, ganz gleich, ob man ihn technokratischen Autoritarismus oder totalitären Marktradikalismus nennen mag. Die Begriffe sind nebensächlich. Entscheidend ist, dass die Staaten dieser Welt eher noch weiter nach rechts rücken werden und dass es womöglich einen allgemeinen Rechtsruck geben wird, der vor allem alle fortschrittlichen Kräfte, alle unterdrückten Klassen und die ohnehin schon schikanierten Flüchtlinge dieser Welt treffen wird. Das mag hysterisch klingen, aber es ist wahrscheinlicher als ein plötzlicher Linksruck und Friede, Freude, Eierkuchen in der Welt. Wir müssen uns auf eine brutalisierte Staatsmacht und zunehmenden rechten Terror gefasst machen.
Der Staat und rechter Terror
Die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA legitimierten den sogenannten "War on Terror". Folge dessen waren massive Verschärfungen der Innenpolitik vieler Staaten auf der Welt und eine ebenso starke Zunahme des antimuslimischen Rassismus sowie eine imperialistische Offensive der westlichen Staaten, die im Namen der "Freiheit" andere Staaten zerstörten. Afghanistan, Pakistan, Irak, Tunesien, Libyen und Syrien sind seither die erschreckendsten Beispiele für solche Interventionen. Sie alle wurden von den Imperialisten und ihren Sprachrohren unter dem Deckmantel des Kampfes für Freiheit und Demokratie legitimiert.
Dass Gaddafi und Assad in Libyen und Syrien z.B. bis zu den kriegerischen Interventionen säkulare Regimes anführten, war dabei nebensächlich. Dass in all diesen Ländern heute ausgerechnet die Islamisten, Salafisten und islamischen Terroristen stärker als je zuvor sind, kümmert die Propaganda des Westens kaum. Dass diese vom Westen attackierten Regimes zuvor enge Verbündete des Westens waren, geht natürlich in den Massenmedien unter, die sich weitgehend der westlichen Darstellung unterordnen. Und dass gerade der rechte Terror in sämtlichen Ländern direktes oder indirektes Produkt staatlicher Politik ist, wird natürlich so gut es geht verschleiert.
Die afghanischen Gotteskrieger (die Mujaheddin, die Taliban, al-Kaida), der deutsche Nationalsozialistische Untergrund und der IS sind solche Produkte staatlicher Politik. Die US-Regierung war massiv in die Förderung der afghanischen Islamisten im Kampf gegen die afghanischen Kommunisten und die Sowjetunion verstrickt. Ebenso war der deutsche Staat zumindest in die Verschleierung und Verharmlosung des rechten Terrors des NSU gegen griechisch- und türkischstämmige Deutsche verwickelt. Der IS entstand aus diversen vom Westen gestützten sunnitischen Islamistengruppen und rechten Freikorps, die sich im Zuge der Besatzung des Iraks durch NATO-Truppen gegen die neue Regierung organisierten. Westliche Staaten und rechter Terror sind in solchen Fällen eng miteinander verbunden, selbst wenn die entsprechenden Terroristen ganz autonom agierten oder noch agieren.
Wie diese Fälle erinnern die Ereignisse vom 13. November an den rechten Terror von "Gladio", einer NATO-Einheit, die Anschläge auf Zivilisten in Italien durchführte. Der Historiker Daniele Ganser zitierte einen geständigen Terroristen, der die Strategie des damaligen Terrors im Verbund mit staatlichen Geheimdiensten erklärte:
„Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. […] Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann.“
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Uns stehen dunkle Zeiten bevor. Die demokratischen und progressiven Kräfte sollten endlich die lächerlichen Grabenkämpfe überwinden, die nötigen Lehren ziehen und sich gegen die modernen Kreuzfahrer, Gotteskrieger und Faschisten wappnen.
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