Samstag, 9. November 2013

JAW aka Jotta

Rapper aus der Klapse


JAW (mit bürgerlichem Namen Jonas Andre Willy E.) ist ein Rapper aus der Klapse. Psychische Konflikte und ihre Behandlung haben seinem Rap einen unverkennbaren Charakter gegeben.

Wie bei Disarstar dreht es sich bei JAW (auch Jotta genannt) nicht um vorgespielte Coolness, unglaubwürdigen Gangster-Rap oder peinliche Selbstglorifizierung wie bei so vielen Reimbonzen. Auch ihm geht es eher um seelische Konflikte und die Auseinandersetzung des Einzelnen mit der Umwelt.

Auf den ersten Blick mag sein Rap total gestört und psychotisch erscheinen. Tatsächlich provoziert er aber die Frage, wer wirklich der Kranke ist: die Gesellschaft oder der Einzelne, der gegen sie aufmuckt. Daher kann man sich kaum einen größeren Gegensatz zu den oberflächlichen Mainstream-Rappern geben als die Mucke von JAW. Teil 2 der Serie über Deutschrapper mit Anspruch.

Kranker Psychopathengesang?


Die Tracks "TOA I" und "TOA II" aus Jottas Album "Täter Opfer Ausgleich" erzählen richtig üble Rachegeschichten. Ein früheres Mobbing-Opfer rächt sich an seinen früheren Folterern. Das Opfer wird so zum Täter und der frühere Täter zum Opfer. Auf das konkrete Szenario der Rache will ich hier nicht eingehen. Aber es ist definitiv das Krasseste, was man in Deutschland hören kann. In beiden Szenarien lauert das psychopathische Opfer-Täter seinen Täter-Opfern zu Hause auf, um sie zu foltern. "TOA I" ist so abrundtief böse, dass man den Track nur über alle Maßen feiern kann:

Er sackt nach zwei Tritten zu Boden,
wo er sich windet wie ein Fisch in den Wogen.
Ich zieh ihn über die Schwelle und schließ die Tür ab.
Er versucht, mich von den Beinen zu reißen
Und schürt Hass,
der einer Quelle entspringt, die er nie kennen wird. 

Auch "TOA II" ist enorm böse. Ich zitiere nur eine humaneren Stelle:

Und er schreit wie nie jemand geschrien hat
Und er leidet wie viel zu viele zuvor gelitten haben

JAW hat einige solcher Psycholieder. In vielen geht es einfach um geistige Verwirrung und emotionale Unsicherheiten, wie z.B. in "Seelensturm":

Ich suche voller Ängste und Zweifel mein eigenes Ich,
Auf Wegen aus meiner inneren Scheinwelt ans Licht,
versuch zu verstehen, warum so viele Dinge geschehen,
die um mich kreisen, mich verwirren und mich immer nur quälen,
und ich greif nach der Liebe doch fasse nur Hass

Insgesamt bilden diese wahnsinnigen Szenarien eine scharfe Gesellschaftskritik, da klar wird, dass das angeblich "Normale" das angeblich "Kranke" immer wieder produziert, nur um es dann heuchlerisch zu verurteilen. Abweichungen von der Norm werden wie Unfälle behandelt. Menschen, die dagegen rebellieren oder damit psychisch nicht klar kommen, werden wie Aussetzige aus der Gesellschaft verstoßen. Aber die Aussetzigen haben in JAW einen Racheengel gefunden, der die Wahrheit unverblümt ausspricht.

Bitterböse Enttäuschung


Neben den krassen Psychogesängen bietet Jotta auch melodramatische Elegien, die an Goethe oder Schopenhauer erinnern, wenn einem diese Namen etwas sagen.

In "Elena" besingt er eine ehemalige Liebschaft, die unser lyrisches Ich einfach im Stich gelassen hat. Wie in Goethes Werther ist das zentrale Thema die völlig vergebliche Bemühung um Liebe, die schließlich auf den Selbstmord als letzten Ausweg aus der Misere verweist:

Ich kann dir nicht geben, was du suchst
was immer ich gab, du nahmst es,
doch nichts davon war dir genug.
und ich gebe keinen Fick!
du musst es schon holen,
von dem du willst, dass ich's dir gebe:
mein Leben.

Auch "Meer aus Tränen" ist ein außerordentlich mitreißendes Lied. Man will gleich mitweinen, wenn man nicht aus dem kalten Nass ins Trockene flieht:

Ich schwimme in einem Meer aus Tränen
Und kann nicht mehr in die Ferne sehen
Mein Auge blind, bis die Schmerzen gehen
Und ich treibe, alleine dort im Meer aus Tränen

"Im roten Feuer der Sonne" ist ein äußerst melancholisches Melodram, das wiederum von Selbstmord handelt. Es geht um eine junge Frau, die von ihren Eltern nicht akzeptiert wird wie sie ist. Sie passte schon seit ihrer Kindheit nie wirklich in ihre Umgebung. Sie fühlt sich völlig missverstanden. Sie wurde von Männern schlecht behandelt oder misshandelt. Letztlich erkennt sie nur im romantischen Freitod einen Ausweg.

Auch "Taucher in der Tiefe" handelt von stiller Verzweiflung in völliger Einsamkeit:

In mir ist Sturm, und ich spür in den Menschen immer häufiger Windstille.
Hör die Stimmen, die um mich kreisen, mich dazu verleiten,
zu denken, dass ich bei all den Menschen hier falsch bin.
Weil mir, jedes Mal wenn irgendjemand was sagt,
alles so flach erscheint, dass ich kaum noch Gerede ertrag,
und ich bin mir im Klaren, was für ein Segen es ist,
wahre Freunde zu haben, die dich in Gesprächen stützen

Das Fazit aus Jottas depressiver Musik ist aber nicht, dass man Selbstmord begehen oder Amok laufen soll, sondern es ist ein intellektueller Protest gegen die unmenschlichen zwischenmenschlichen Beziehungen, die heutzutage so üblich sind. JAW kommt es drauf an, durch Provokation zum Nachdenken zu bringen. Er fasst es in "Taucher in der Tiefe" in einem Satz zusammen:

Man kann nicht leiden, ohne nachzudenken.

Pechschwarzer Humor


Abgesehen von bitteren Enttäuschungen und psychischen Störungen hat JAW auch einen außerordentlichen Humor. "Meine Fans", "Ausreden", "Dinge passiern", "Doktor Jotta" und "Optimist" sind einfach urkomisch. Er lacht dabei über die tragikomischen Begebenheiten, die er in anderen Liedern mit Aggression oder Trauer beantwortet. Jottas Humor kann dann so pechschwarz wie Noob Saibot bei "Mortal Kombat".

In "Meine Fans" z.B. macht sich Jotta über seine sicherlich spezielle Fangemeinde lustig, während er sie zugleich abfeiert:

Meine Fans sind kleine Genies
Um die großen Muster erkennen zu könn', reicht ein Indiz
Manche von ihn' sind nicht mehr als geistige Krüppel
Sie könnten feiner speisen und fressen Brei aus 'ner Schüssel
Viele von ihn' kommen mit normalen Menschen nich' klar
Sie fühlen sich alleine und leiden unendliche Qual'n
Meine Fans, sie lieben diesen schwarzen Humor
Und fragen Trauernde "Was hast du heute Abend so vor?" 

Fazit


JAW kombiniert scharfe Gesellschaftskritik, bitter-süßliche Lyrik und bitterbösen Sarkasmus zu einem überzeugenden Gesamtkunstwerk. Fast alle seine Stücke provozieren extreme Gefühle, sei es Zorn, Trauer, Schadenfreude oder äußerste Sympathie. Oder sie produzieren seelische Leere. 

In jedem Fall reißt Jotta mit, wenn man sich ein wenig auf ihn einlässt. Er ist so überzeugend, dass man JAW nachts nicht begegnen will, wenn er seine Wut gerade nicht in Lyrik kanalisieren konnte.


Jottas Label "Weisse Scheisse" findet man übrigens auch online. Kauft euch alles, was Jotta da so verkauft! Kauft! Kauft! Oder hört seine Mucke irgendwo online oder so! ;-)

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