Sonntag, 24. Juli 2016

Der Untod des Epos

Das Epos wirkt tot, tot wie die lateinische Sprache. Denn das Zeitalter, dem es entstammt, ist eine Epoche, die längst vergangen und uns daher völlig fremd erscheint.

Das Epos ist so antiquiert, dass sogar für die Autoren, die die großen Werke verfasst haben, die eigentlich epischen Taten ihrer Helden längst vergangen waren. Hätte man diese alten Erzählungen nicht niedergeschrieben, wären sie heute gänzlich verloren. Die Iliaden, Odysseen, Mahabharatas, Überlieferungen von chinesischen Urkaisern und Niebelungenlieder sind scheinbar nur noch Sache von Literaturprofessoren und anderen Freaks. Nur noch die Überreste des Bildungsbürgertums von gestern klammern sich, dem Scheine nach, an die letzten Überreste heldenhafter Erzählungen.

Alle Anderen scheint der alte Plunder nicht weiter zu kümmern. Epische Heldentaten sind ja nicht mehr zeitgemäß. Heldentaten und Heroismus ist sowieso ziemlich out. Heute geht man shoppen, Pokémon fangen, aus Protest gegen selbst verschuldete Politik Alternativen für Deutschland wählen, auf den Ringstraßen und im Veedel Schürzen oder Cocktails jagen und dabei davon träumen, wie man Pillen auf Ibiza einnimmt. Allenfalls wartet man noch auf die nächste Staffel von "GoT" oder die filmischen Heldentaten des nächsten "xXx".

Gleichzeitig ist auch heute weiterhin die Rede vom "Epischen". Bei youtube findet man stundenlange Ansammlungen von "epic music", die eine ideale Unterlegung für Filme mit "epischen Schlachten" und "epischen Helden" liefern könnten. Dann gibt es noch die "epic rap battles of history", in denen allgemein bekannte historische Persönlichkeiten gegeneinander rappen. "Episch" sind natürlich auch die Zweikämpfe zwischen berühmten Boxern wie Ali und Frazier oder solcher Filmfiguren wie Batman und Superman. Riskante Sprünge von parcour-Kids in den Pariser banlieues sind mindestens genauso episch.

Das Epische in diesem Sinne lässt einen vor Erfurcht erstarren, bereitet Gänsehaut, provoziert Ausrufe des Erstaunens und erfüllt Einen mit Bewunderung und gar Stolz. Darüber befragt, was es denn für sie sei, definierte ein junges Mädchen "episch" ganz trefflich erst vor wenigen Tagen als: Etwas, das cooler sei als cool, etwas so Großartiges, dass es einen "woaaah!" ausrufen lässt, das einem die Sprache verschlägt und ganz allgemein gewaltige Gegensätze aufeinanderprallen lässt - und das, obwohl sie nur einen einzigen Absatz von Georg Lukács und noch nie Hegel gelesen hatte.

Das Epische ist also nicht einfach tot, es ist allenfalls untot. Wie ein gefangener Unsterblicher schläft es in der Welt der Künste und wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt für eine effektvolle Wiedergeburt (wie etwa "Apocalypse"). Es ist im Grunde das Plusquamperfekt der Poesie, welches einen gedanklichen Abschluss mit einer neulich erst verblassten Gegenwart erfordert. Das Epos ist damit, wenn es heute wieder entsteht, sowohl die reinste Nostalgie wie auch die bombastische Verkündung einer neu anbrechenden Epoche.

"Epic Vampire"

Samstag, 23. Juli 2016

Warum "Apocalypse" trotz allem kein Epos ist

"X-Men: Apocalypse" hat formal nahezu alles, um als "episches Werk" von heute durchzugehen. Trotz allem ist es kein (post)modernes Film-Epos. Das entscheidende Kriterium fehlt.

Dieser Film bietet epische Helden und ihre Schlachten, eine epische Handlung und Moral, epische Mythologie, epische Musik, Akustik und Szenerie - und fast alles andere, was man episch nennen darf. Alles an dem Hollywood-Blockbuster ist episch, außer die Rezeption.

Ein Kinogänger wird vielleicht begeistert oder zumindest beeindruckt aus dem Film herausgehen. Er wird womöglich sogar mit dem für ein Epos typischen Staunen an den Film zurückdenken. Die großen Heldinnen und Helden des Werks werden uns als strahlende Vorbilder in Erinnerung bleiben. Wir haben Teil an ihrem übermenschlichen Wagemut und ihrer grenzenlosen Tugend.

Und doch ist dieses fabelhafte Werk noch kein Epos. Denn dazu gehört nicht nur das Werk, sondern auch das entsprechende Publikum. Das eigentliche Epos ist eine dialektische Beziehung zwischen dem epischen Werk und der heldenhaft gesinnten Anhängerschaft des Geistes, von dem das Werk erzählt.

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Bild von: www.filmfutter.com
Und das Publikum von "Apocalypse" ist allgemein ganz weit davon entfernt, auch nur im geringsten heldenhaft gesinnt zu sein: Man geht als neugieriger Konsument einer filmischen Ware ins Kino und kommt als gesättigter wieder heraus, um wieder brav dem sinnlosen Leben des Biedermeiers zu frönen. Die Erinnerung an die heldenhafte Fiktion des Films bleibt, aber die eigentlich epische Wirkung, die ein episches Werk zum Epos macht, fehlt völlig. Daran ist aber nicht der Film Schuld.

Das epische Publikum und seine Rezeption gibt es nur da, wo es einen epischen Weltzustand gibt, eine revolutionäre Situation. Da dieser Zustand für die meisten Filmkonsumenten nicht gegeben ist und kaum einer von uns je zum Helden wird, kann also auch bei "Apocalypse" nicht von einem Epos geredet werden. Ein wirkliches Epos für unsere Zeit muss erst noch durch einen revolutionären Aufbruch möglich werden. 

Soll heißen: Erst wenn draußen vor dem Kino die Barrikaden stehen, wenn sich die Massen zur revolutionären Heldentat entschieden haben, wenn Polizeistationen brennen und die korrupten Politiker ins Ausland fliehen, wird ein echtes filmisches Epos möglich sein. Im Grunde können nur reale Helden Teil eines epischen Publikums sein. In Deutschland ist ein Epos daher unwahrscheinlich. Die Deutschen sind keine Helden, sondern wundern sich nach dem Kinobesuch mit dem gewohnten Schafsblick über jede epische Fantasterei.

Sonntag, 8. Mai 2016

Warum das bürgerliche Trauerspiel lächerlich ist

Das bürgerliche Trauerspiel ist lächerlich geworden. Man sollte es abschaffen und den Bonzen nur noch das Lustspiel gönnen, über sie lachen. Böhmermanns vulgärer Spott gegen den Erdowahn geht in diese Richtung, die Anstalt mit Max Utthoff und Claus von Wagner ebenfalls. Die Heute Show und extra3 reihen sich auch in diese Reihe ein. Dem Bürgertum soll der ganze Spott gelten.

Die Prolltragödie ist die einzig echte.
Wenn dem Proll z.B. zuerst die Mutter und dann die Oma in Folge typisch proletarischer Lebensweise durch Krebs wegstirbt und damit eine Katastrophe für die gesamte Familie eintritt, dann ist das wirklich dramatisch und vernichtend. Der Höhenfall ist unvermeidbar. Eine Katharsis gelingt nicht mit Sicherheit.

Wenn Ähnliches dem Reichen passiert, ist es vielleicht eine Episode der Trauer, wenn überhaupt. Aber ein Trauerspiel dazu wäre lächerlich. Denn der Bourgeois hat kein Recht mehr auf Erhabenheit, weil er Fabriken besitzt und Krieg finanziert. Wer Millionen von Menschen aushungert und zerbombt, der verdient kein Mitgefühl, sondern Enteignung im Sinne des Grundgesetzes und Spottgedichte.

www.seite360.de


Montag, 2. Mai 2016

TTIP - die Besiegelung der präventiven Konterrevolution auf globalem Maßstab

Mit den neuesten Enthüllungen über die Pläne der Transatlantiker ist nun klar, was TTIP wirklich ist. Ein apokalyptischer, komfuturistischer Kommentar dazu.

http://www.commondreams.org/news/2016/03/18/latest-leak-confirms-ttip-serious-threat-democracy-we-know-it

TTIP ist der bisher größte Schritt zu einer formellen Besiegelung der präventiven Konterrevolution auf globalem Maßstab. Das neue Abkommen zwischen den USA und der EU soll offenbar jeglichen Widerstand in den mächtigsten Staaten des Planeten durch technokratische Mittel zwecklos machen. Das transatlantische Abkommen ist die gesetzliche Grundlage für die praktische Vollendung der kapitalistischen Technokratie. Es ist ein großer Sprung nach vorn hin zu einem internationalen Totalitarismus. Denn die Herrschaft durch einen allwissenden und allmächtigen Staatsapparat wird so juristisch abgesegnet. Formal ist damit zugleich jeder Widerspruch und Widerstand kriminalisierbar.

Der Superstaat

Praktisch muss die erstrebte Koalition der herrschenden und privilegierten Klassen erst noch viele weitere Hürden nehmen. Die oberen Klassen müssen z.B. den Widerstand der Bevölkerung brechen und die Interessengegensätze der bürgerlichen Gesellschaft vereinfachen. In den Sphären von Militär, Industrie, staatlicher Verwaltung, Geheimdiensten und scheinparlamentarischem Puppenspiel muss erst noch eine Verschmelzung der Interessen umgesetzt werden. Diese Koalition aus Groß- und Kleinbürgertum muss in den verschiedenen Abteilungen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft erst noch einen politischen Ausdruck finden. Ob sie die Form einer transnationalen Technokratenregierung annimmt oder eine weniger offensichtliche Hülle findet, ist dabei nachrangig. Zentral ist die konfliktarme Koordination der Herrschaftsapparate, die aus vielen Fraktionen in den Staaten im Kern einen fraktionslosen Superstaat macht.

Versklavung durch Versöhnung

Der Komplex aus Militär, Industrie, Politik und Geheimdiensten muss sich gegenüber der Klassengesellschaft als versöhnte Gemeinschaft darstellen. Und die Klassenversöhnung muss auch innerhalb der Gesamtgesellschaft einen bestimmten Punkt erreichen, der den sonst immer noch wackeligen Thron der Herrschenden stabilisiert. Der harte Zwang muss mit Hegemonie abgefedert werden. Die bittere Unfreiheit in der technokratischen Gesellschaft muss durch die süße Freiheit im Konsum schmackhaft gemacht werden. Nur so können die notwendigen Maßnahmen gegen die Reste der noch denkenden Biomasse durchgepeitscht werden. Die Mehrheit muss erst noch zu einer völlig steuerbaren Knetmasse geformt werden. Sie muss verführt werden. Und sie wird verführt. Sonst wird immer noch eine Lücke für Widerstand durch die Bevölkerung offen gelassen. Wird diese noch klaffende Lücke aber geschlossen, wird auch die Gesellschaft verschlossen und versiegelt. Dann gibt es auch keine offenene Gesellschaft mehr. Die relevanten Konflikte im gesellschaftlichen Dasein hören somit praktisch auf. Des Rebellentum hatte dann mal Potenzial, aber hat keines mehr. Das technokratische Bürgertum versklavt den Rest der Menschheit. Sobald dies erreicht ist, wars das, um es salopp auszudrücken.

Der Staat wird zu Gott

Um es geschichtsphilosophisch zu reflektieren: Die Geschichte ist dann in eine Sackgasse und Einbahnstraße ohne Wiederkehr geraten. Adé Fortschritt. Au revoir, Liberté. Adieu pour toujours, Emanzipation. Zai ye bu jian le, Perspektive des revolutionären Humanismus. Hat Spaß gemacht mit euch. Alle Klassenkämpfe der Geschichte waren somit letztlich sinnlos. Die Herrschaft überwältigt den Widerstand endgültig. Die Unfreiheit verdrängt die Freiheit in eine düstere Ecke. Der Staat frisst die Gesellschaft. Die "politische Gesellschaft" löst die "Zivilgesellschaft" auf. Von da an herrscht das absolute, staatliche Subjekt. Die ewige Dialektik von Subjekt und Objekt wird so im Grunde aufgehoben. Es gibt dann nur noch die Herrschaft des totalen Staates. Denn er weiß dann Alles und darf Alles. Der Staat wird zu Gott.

Mittwoch, 16. März 2016

Zur Daseinsberechtigung der deutschen Linken

Es ist einfach.

Entweder wird die Linke in Deutschland ehrlich zu sich selbst oder sie wird wie Staub hinweggefegt.

Ihre Mission ist klar: Aufklärung und Mobilisierung der unteren Klassen gegen die Diktatur der höheren Klassen. Wenn ihr das nicht gelingt, verliert sie ihre Daseinsberechtigung. Dann muss eine neue Linke her, die ihre Mission wirklich ernst nimmt.

Zur Wahl steht also wie zu übleren Zeiten schon: Sozialismus oder Barbarei.