- Dostojewskij war Schriftsteller, 2Pac war Rapper.
- Dostojewskij war ein Mensch des 19. Jahrhunderts, 2Pac einer des 20. Jahrhunderts.
- Dostojewskij war weißer Russe, 2Pac war schwarzer Amerikaner.
- Dostojewskij war entschieden orthodoxer Christ und russischer Nationalist, 2Pac war mehr oder weniger Atheist und kam aus der Szene der Black Panthers.
- Dostojewskij war adliger Abstammung und verarmte im Laufe der Zeit, 2Pac kam aus dem Ghetto und stieg als Parvenu zu Ruhm und Reichtum auf.
Die Gegensätze scheinen unüberbrückbar zu sein. Das stimmt aber nicht. Die Welten, die diese zwei Persönlichkeiten von einander trennen, können nicht verschleiern, dass es bedeutsame Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gibt. Dostojewskij und 2Pac einen viele Gemeinsamkeiten:
- Dostojewskij und 2Pac machten erstaunliche Wandlungen durch.
- Beide waren zutiefst entwurzelte Menschen, die letztlich trotz aller Hindernisse Wurzeln schlagen konnten.
- Beide saßen im Gefängnis und hatten ein feines Gespür für die Nöten und Leiden der unteren Schichten.
- Beide hassten ganz besonders die Ungerechtigkeiten in ihrem Land.
- Beide verpackten ihre Messages in ihrer Sprachkunst.
- Beide befragten ihre Klientel auf ihren Glauben und Glaubwürdigkeit
- Beide forderten die Menschenwürde für alle Menschen.
Vielleicht mag das an der Nase herbeigezogen klingen. Aber es gab zu allen Zeiten und überall auf der Welt Menschen, die sich gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt empörten und zum Sprachrohr der Armen, Elenden, Verdächtigten und Verachteten machten. Dostojewskij und 2Pac gehören zu den Ikonen dieser ausgeschlossenen Menschen. Denn sie konnten auf ihre Art mit den Unterdrückten dieser Welt mitleiden und mitfühlen. Und sie konnten dies Mitgefühl in Worte fassen, die auf ewig unsterblich sind.
Aber wozu braucht es solch einer Analogie zwischen einem Romanautor und einem Rapper? Ganz einfach. Auch die größten Unterschiede können Menschen einen, wenn sie Menschlichkeit in Ehren halten. Staatsbürgerliche, ethnische, religiöse, sprachliche und politische Grenzen können angesichts eines echten Humanismus verblassen. Sofern nicht das Trennende betont wird, sondern das Einende, kann menschliche Einheit hergestellt werden. Das gilt auch für Klassengesellschaften, die ja immer von Klassengegensätzen durchzogen sind. Der Kapitalismus wird immer die Gesellschaft bleiben, in der das Kapital die Arbeit ausbeutet und unterdrückt. Aber über den Klassenkampf hinweg kann eine Form der Solidarität hergestellt werden, die auch den berechtigten Klassenhass überwindet. Es wäre naiv zu glauben, dass politische und ökonomische Grenzen unerheblich sind. Keineswegs. Die sind von größter Bedeutung und müssen es auch sein. Links ist nicht gleich rechts. Und Gleichgültigkeit ist nicht Leidenschaft. Nazis, Faschisten, Ultrarechte, Rassisten und Chauvinisten sind natürlich Feinde der menschlichen Einheit. Da kann es keine Diskussion drüber geben. Und Linke müssen selbstverständlich die Einheit der Arbeiterklasse anstreben und die erklärten Feinde von Sozialismus und Demokratie kritisieren, und - wenn nötig -bekämpfen. Dennoch muss es Ziel aller Menschen sein, die Einheit des Menschengeschlechts zu erreichen. Erst wenn die Menschheit von Menschlichkeit erfüllt ist, können wir davon sprechen, eine menschliche Gesellschaft erreicht zu haben. Bis dahin ist das, was wir Gesellschaft nennen, nur ein barbarisches und brutales Chaos, ein Kampf aller gegen alle, ein allgemeiner Kriegszustand zwischen den Einzelnen.
Dostojewskij und 2Pac sahen das nicht anders. Aber was bringt uns diese Feststellung? Die Klassenkämpfe und Kriege wüten weiter. Die Kapitalisten bekämpfen weiterhin die Armen. Die Linken bekämpfen weiterhin das Kapital. Die Rassisten und Faschisten hetzen weiter. Die Sozialisten und Demokraten kritisieren weiterhin das System. Es gibt also überall Spaltungen und Spaltungstendenzen. Und die sind notwendig und unausweichlich. Also was bringt die Feststellung, dass Dostojewskij und 2Pac liebe Menschen waren, Friede, Freude und Schnaps forderten?
Wir befinden uns heute, im Jahr 2014, in einer höchst gefährlichen Phase, in einer für die gesamte Menschheit höchst gefährlichen Phase, in einer Phase, die an die Zeit vor den großen Kriegen im 20. Jahrhundert erinnert. Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, dessen Ausmaße kaum ein Mensch erwartet hatte. Die Krieg führenden Parteien, ob Deutsche oder Franzosen, erwarteten einen schnellen Krieg. Statt dessen kam es zu vier Jahren der brutalsten Materialschlacht, in der die jungen Menschen wie Schießpulver verschossen wurden, in der sie zum reinsten Kanonenfutter wurden, in der sie wie Schlachtvieh reihenweise abgeschlachtet wurden. 2015, nächstes Jahr, jähren sich viele weitere Jubileen: Das Ende des Zweiten Weltkrieges, der Abwurf der ersten Atombombe auf einen Feind und die Aufdeckung der beispiellosen Verbrechen der Nazis an der europäischen Bevölkerung. Wir dürfen nie vergessen, was in den großen Kriegen angerichtet wurde. Ken Jebsen hat völlig Recht, wenn er Mark Twain darin zitiert, dass Krieg furchtbar einfach ist: Alte Männer, die sich persönlich kennen, schicken junge Männer (und Frauen) gegen ihre eigenen Interessen in den Kampf auf Leben und Tod gegen andere junge Frauen und Männer, um die Interessen von alten Männern (und Frauen) zu bedienen. Das ist Krieg.
Heute, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, droht erneut ein Krieg in Europa. Auch diesmal drohen die alten Männer (und Frauen) in Deutschland den alten Männern (und Frauen) in Russland. Auch diesmal drohen die Herrschaften in Russland zurück. Was droht, wenn zwei Seiten sich gegenseitig bedrohen? Es droht eine Eskalation! Wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg sind die Folgen solch eines neuen Krieges in Europa nicht abzusehen. Naja, Albert Einstein, der geniale Denker und Sozialist, meinte zwar ganz klar:
"Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen."
Aber was hat schon ein Sozialist und ein Genie noch dazu überhaupt zu melden? Die alten Idioten an den Schalthebeln der Macht bestimmen die Politik und nicht irgendwelche Ikonen der Weisheit oder Menschen mit Herz und Verstand. Nein, gewissenlose Menschen beherrschen uns heute, Menschen mit sehr beschränktem Horizont und sehr flexibler Moral. Es sind die Heuchler, die Lügner, die Mörder und Verbrecher, die uns beherrschen. Die Guten werden diffamiert, ausgegrenzt, inhaftiert und sogar ermordet. Es ist ja schon fast wie in einem Politthriller, wie in Staatsfeind Nr. 1, in Shooter oder Inside WikiLeaks. Aber diese Filme spiegeln einen guten Teil der Realität wieder. Man braucht nicht einmal eine Verschwörungstheorie. Jeder, der sich mit der hohen Politik näher beschäftigt hat, weiß, dass dort kaum hehre Ziele, sondern eher niedrige Instinkte antreiben. Wir werden von hungrigen und blutdurstigen Bestien beherrscht. Zugegeben: Sie tragen Anzüge oder Abendkleider. Sie können manchmal sogar nett lächeln (außer Merkel vielleicht). Manche wie Berlusconi können sogar tanzen (Obama ausgenommen) und andere können ebenso hart austeilen wie einstecken (wie Putin). Aber das macht diese Herrschaften nicht zu zivilisierten Menschen. Die Herrschenden sind Barbaren, die uns für unsere Empörung gegen sie Barbarei vorwerfen. Sie bringen die typischen Argumente aller herrschenden Klassen an: Der Mensch sei nunmal niedrig, böse und barbarisch. Daher brauche er eben eine Regierung, die seine schlechte Natur zügele und so weiter und so fort.
Dostojewskij und 2Pac betonen dagegen die Wandlungsfähigkeit der Menschen. Dinge können sich ändern! Dostojewskij forderte den "neuen Menschen", der in christlicher Nächstenliebe und Gottgefälligkeit alle Unterschiede der Herkunft und des Standes vergessen sollte. 2Pac betonte die Verwandlung des Menschen mit seinen Umstanden. Nicht umsonst heißt eins seiner besten Lieder "Changes" (zu Deutsch: Verwandlungen). 2Pac fragte in seinem Song "Who do u believe in?" auch nach dem Glauben und der Einheit der Menschen:
Who do you believe in?Is it Buddah, Jehovah, or Jah? Or Allah?Is it Jesus? Is it God? Or is just yourself?Definately not to be imposed, being a demonBecause this is the joy of believing!Men, to believe in yourselvesBut for sure, the higher powerResides only to ride in the heart of the trueFrom the soul, of the man; for truth never has an alibiIn the poetry, or in it's realmThat's what pulls all words togetherJust to understand, that every man, is his OWN manAnd only man can satisfy the manOnly the soul of the man, the feelings of the manThe for realness of the manYou can't shake the man when you feel the man you know the manAnd you gotta call yourself because you are that man
Wenn heute also wieder ein großer Konflikt der Nationen ansteht, der in einen großen Krieg ausufern könnte, dann sollte man vielleicht ausnahmsweise Mal nicht den Lügenmärchen der herrschenden Barbaren glauben. Vielleicht sollte man auf Einstein hören oder auf den eigenen Überlebensinstinkt. Denn die Herrschenden werden gewiss nicht selbst in den Krieg ziehen. Verbalradikal vielleicht, ja, klar. Da bekriegen sie sich in aller Konsequenz. Aber die Konsequenzen ihres Verbalradikalismus "kriegen" dann wir zu spüren. Die Herren und Damen "da oben" werden sich vielleicht sogar auf irgendwelchen entfernten Inseln in Freundschaft zum Bacardi-Cola oder zum Puschkin-Wodka treffen. Das war schon mit dem russischen Zaren und dem deutschen Kaiser so ähnlich, nur dass sie keine Cola tranken. Es war auch zwischen dem britischen Premier Churchill und Stalin nicht anders. Es war schon immer so, dass die Differenzen der Herrschenden untereinander beim Essen und Puschkin-Wodka am Abend verschwunden waren. Allerdings würden sie heute damit den Namen Puschkins in den Schmutz ziehen.
Dostojewskij hielt 1880, auf dem Höhepunkt seines schriftstellerischen Schaffens, eine brillante Rede zu Ehren Puschkins und über die unversellen Ideale der Menschlichkeit. Er sagte:
"Einem echten Russen [ist] Europa ... ebenso teuer wie Rußland selbst, weil unser Schicksal eben Universalität ist, und nicht die mit dem Schwert erworbene, sondern die Kraft der Brüderlichkeit und unseres brüderlichen Strebens zur Wiedervereinigung der Menschen... Und späterhin werden wir, d.h. natürlich nicht wir, sondern die künftigen russischen Menschen, alle bis zum letzten begreifen, daß ein wahrer Russe werden eben dies heißt: danach streben, endgültig Versöhnung in die europäischen Widersprüche zu bringen, der europäischen Sehnsucht den Ausweg zu zeigen in der russischen Seele, der allmenschlichen und allvereinenden, in sie mit brüderlicher Liebe alle unsere Brüder aufzunehmen und letzten Endes, vielleicht, auch das endgültige Wort der großen allgemeinen Harmonie auszusprechen, der brüderlichen endgültigen Harmonie nach dem Gesetz des Evangeliums [der Nächstenliebe] Christi!"
Man muss kein Russe oder Christ sein, um nachzuempfinden, was Dostojewskij meinte. Man muss einfach ein wenig Verstand und Herz mitbringen. Die Rede von Dostojewskij hat sogar seinen persönlichen Feind, den Schriftsteller Turgenjew, dazu gebracht, Dostojewskij in Freundschaft zu küssen. Dostojewskijs Frau überlebte ihn übrigens um 38 Jahre. Ist es nicht ein komischer Zufall, dass sie kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, 1918, auf der Krim-Halbinsel starb, auf der nun der heutige Konflikt zwischen Deutschland und Russland eskaliert?
Im Grunde ist das, was Dostojewskij, 2Pac, Einstein und die anderen großen Geister aller Zeiten forderten, das eine große Ziel des Menschen: Die Einheit der Menschheit unter menschenwürdigen Bedingungen!
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