Mittwoch, 5. Februar 2014

Menschen, Recht und Menschenrecht

In diesem Artikel geht es um das Verhältnis von Rechten und speziell Menschenrechten zu ihren Schöpfern, den Menschen. Teil 1 der Serie über Menschenrechte und Klassenkämpfe.

Menschen, Rechte und Menschenrechte


Es existiert kein Recht und kein Menschenrecht ohne Menschen. Menschen machen sich ihre Rechte. Menschenrechte sind daher nicht angeboren, sondern sozial konstruiert. Sie entstehen im Kopf der Menschen und in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ohne Menschen, die für Recht und Menschenrechte eintreten, gibt es keine Rechte und keine Menschenrechte. Der Mensch ist also die Wurzel des Rechts. Das Recht an seiner Wurzel zu erfassen, am Menschen, ist radikal sein in Bezug auf Recht und Ordnung.

"Recht", "Recht haben", "Recht behalten" usw. sind also soziale Konstrukte, Erfindungen der Menschen. Es sind im Grunde Ideen oder Werte, die das Handeln der Menschen anleiten sollen, damit es nicht zu unnötigen zwischenmenschlichen Problemen, d.h. zu Unrecht, kommt. Unrecht ist ebenfalls eine soziale Konstruktion, aber das ändert nichts daran, dass Recht und Unrecht äußerst real sind. Überall auf der Welt gibt es Recht und Unrecht in ganz großem und in ganz kleinem Maßstab. Zum einen gibt es bereits Unterdrückung zwischen zwei Menschen, familiäre Unterdrückung, häusliche Gewalt, Mobbing, Kriminalität und strukturelle Gewalt auch in den aller modernsten Gesellschaften. Diese müssen im Sinne des Rechts bekämpft werden, wenn nötig auch mit Hilfe staatlichen Rechtes oder mit kleinen, persönlichen Aufständen. Zum anderen gibt es ganz großes Unrecht auf höchster Ebene.

Aber alles echte Recht der Welt steht auf Seiten der Unterdrückten und entlarvt ausnahmslos alle Unterdrücker und Tyrannen dieser Welt. Insofern sind Ausdrücke wie "Recht haben" oder "Recht behalten" absolut treffend. Recht haben, Rechte, Anerkennung und Achtung der Menschenrechte, Wahrheit, Ehrlichkeit, Ehrwürdigkeit, Würde und Kampf für Menschenrechte gehören ohne Zweifel zusammen. "Unrecht haben" und "bloß gestellt sein" sind ebenso treffend. Denn Unrecht haben, Unrecht, "Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte", Lug, Trug, Würdelosigkeit, Heuchelei und Tyrannei gehören ohne Zweifel ebenfalls zusammen


Das Problem ist, dass sich Unrecht stets als Recht tarnt. Auch die größten Tyrannen schämen sich nicht, Worte wie "Wahrheit", "Freiheit", "Gerechtigkeit", "Gleichheit", "Demokratie", "Recht" usw. mit ihrer Heuchelei zu beschmutzen. Solche Heuchelei dient immer der Verkleidung von Egoismus, Partikularinteressen und Unrecht im strahlenden Kleid des Rechts. Tyrannen schmücken sich nicht umsonst immer mit den Insignien und Reliquien von Heiligen, Märtyrern und Freiheitskämpfern.

Gerade die Staatsmacht und die sogenannte "Herrschaft des Rechtes", gleich wie modern die jeweilige Gesellschaft ist, dienen ja vor allem den Interessen des jeweiligen Staates und den Herrschenden. Durch "die Herrschaft des Rechts" behalten die Herrschenden Recht. Das herrschende Recht ist in der Klassengesellschaft an sich stets das Recht der Herrschenden, der herrschenden Kapitalisten, der stärkeren Klassen, des Stärkeren. Wie die herrschenden Gedanken die Gedanken im Sinne der Herrschenden sind, ist das herrschende Recht im Sinne der Herrschenden.

In der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wird der "Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung" als "letztes Mittel" zum Zweck der Durchsetzung von Menschenrechten benannt:

"[...] da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen [...]"

Da Aufstände nie völlig friedlich sein können, wurde damit also die Gewalt als legitimes Mittel gegen Tyrannei und Unterdrückung durch die Unterzeichnerstaaten der Erklärung anerkannt. Die Erklärung wurde also im Sinne von Staaten unterzeichnet, die sich die internationale Durchsetzung der Menschenrechte auf die Fahne geschrieben haben. Das geschah nur drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, des bisher barbarischten und tyrannischsten Menschenmordes der Weltgeschichte, was ausgerechnet vom hochmodernen deutschen Staat und seinen Verbündeten und den Alliierten umgesetzt wurde. Nach dem Massenmorden kam die späte Erkenntnis, dass man durch internationales Recht oder frühzeitigen Aufstand viele unnötige Todesopfer hätte verhindern können. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 diente also vor allem der Beruhigung der Gewissensbisse der Herrschenden und der Legitimation der damals herrschenden Staatsmächte.

"Demokratie"? Die Herrschaften ("Kratie") pissen auf das Volk ("Demo(s)"), Karikatur von Oliver Schopf: http://www.oliverschopf.com/img/pol_kar/welt/w603x486/demokratie_protest.jpg





Woher kann man wissen, dass nicht die Rettung echter Menschenleben und echtes Recht die oberste Priorität bei der Erklärung einnahmen? Ganz einfach. Im selben Jahr als die Erklärung proklamiert wurde, 1948, wurde z.B. mit Hilfe einiger Unterzeichner-Staaten jegliches Menschenrecht mit Füßen getreten und mit ihm gleich hunderttausende Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben und unzählige ermordet, misshandelt und vergewaltigt, um den Staat Israel auf ehemals palästinensischem Boden zu sichern.

Als Antwort auf die Gründung Israels kam es in den umliegenden arabischen Staaten zu einem gewaltsamen Aufstand gegen das, was sie als ungeheuerliches Unrecht und als Heuchelei einiger Unterzeichner-Staaten auffassten: die Beraubung und Vertreibung hunderttausender Menschen von ihrem "rechtmäßigen" Territorium. Die Zionisten, die mit allen Mitteln für die Gründung eines jüdischen Staates kämpften, sahen das natürlich anders. Für viele von ihnen war Palästina das "rechtmäßige" Territorium der Juden.

Dass dieser Zwist um Recht und Unrecht bis heute anhält und den Weltfrieden nicht nur bedroht, sondern völlig unmöglich macht, zeigt wie wichtig es den Menschen ist, "Recht zu behalten", "Recht zu haben". Dass der Konflikt erst ein Ende nehmen kann, wenn ein sogenannter "Rechtsstaat" in diesem Gebiet gegründet wird, der allen seinen Anwohnern, Einwohnern und Bürgern gleiches Recht zugesteht, ist den linken Antizionisten und linken Postzionisten schon lange klar. Aber Nationalisten und Zionisten diverser Länder wollen solch eine Lösung offenbar nicht, weil es ihre Herrschaft oder ihre Privilegien bedrohen würde.

Wenig später kam es 1950-1953 zum Korea-Krieg, in dem die zwischen Nordkorea, der UdSSR und China einerseits und Südkorea und den USA andererseits ein weiterer katastrophaler Krieg ausbrach, in dem allein über eine Million Chinesen, eine Million Südkoreaner und zwei einhalb Millionen Nordkoreaner starben, nur um beim Eroberungskrieg die selben Grenzen wie zuvor wiederherzustellen und bis heute die militarisierteste Region der Welt zu schaffen. Man darf daran zweifeln, ob es den Kriegsführern um Menschenrechte ging.

Die USA bekleckerten sich schon seit den 50er Jahren nicht mit Ruhm als sie in der "McCarthy-Ära" Kommunisten, Sozialisten, Radikale, Demokraten und unpolitische Bürger verfolgten. Presse- und Gewissensfreiheit sind offenbar ohnehin nicht das Ding des amerikanischen Staates. Aber der amerikanische Vietnam-Krieg von 1965-1975 überbot alle bisherigen Schandtaten der USA noch bei weitem. Wie der Korea-Krieg war auch der Vietnam-Krieg ein Stellvertreter-Krieg zwischen der westlichen und der östlichen Supermacht und wieder ging es um ein geopolitische Aufteilung eines Landes nach politischen Sympathien. Diesmal siegten jedoch die Stellvertreter des Ostblocks, indem sie ganz Vietnam eroberten und dem amerikanischen Kriegsterror zehn Jahre lang Widerstand leisteten. Die Bilanz des Krieges schloss bis zu vier Million tote Zivilisten und Soldaten ein, aber auch hunderttausende Verletzte, Traumatisierte und Deklassierte. Es ging hier nicht um Menschenrecht, sondern um Klassenkampf und Geopolitik.

Die Liste der Verbrechen der Unterzeichner-Staaten kann beliebig lang weitergeführt werden. Der staatlichen Untaten und Gräuel gibt es unzählige. In der Klassengesellschaft erfolgen Tyrannei und Unterdrückung mehrheitlich durch staatliche Bürokratien und die Herrschenden, da die Macht der herrschenden Klassen und die Staatsmacht zusammen die mächtigsten Gruppen auf diesem Planeten sind. Aber selbst die modernsten Staaten sind heute nicht frei von Tyrannei und Unterdrückung.

Der deutsche Staat unterdrückt seine Bevölkerung auf subtile und offensichtliche Weisen. Außerdem unterdrückt er gewisse Gruppen der Gesellschaft kaum, während er andere in hohem Maße zu unterwerfen versucht. Seine unterdrückerischen Methoden umfassen zum einen subtile Maßnahmen wie strukturelle Gewalt, systematische und tolerierte Diskriminierungen und staatliche Ideologieproduktion durch Medien, Zensur und Desinformation. Zum anderen schließen seine Methoden auch erbärmliche Diffamierungskampagnen, brutale Polizeigewalt und Militäreinsätze ein.

Auf fast jeder antifaschistischen Aktion, sei sie noch so friedlich, schlagen die Bullen zu oder sprühen zumindest aus Spaß ein wenig Pfefferspray raus. Oft werden jugendliche Aktivisten gedemütigt und misshandelt, wenn sie nach einer Aktion unrechtmäßig inhaftiert werden für begrenzte Dauer. Die Polizeigewalt bei den Nazi-Blockaden gegen Demokraten und in Stuttgart gegen die bürgerlichen Demonstranten werden niemals vergessen werden. Die Polizei ist dafür da, um zuzuschlagen. Sie ist der tollwütige Pitbull des Staates.

Dieser Staat ist ein Staat, der die Menschheit hasst. Sogar einen Großteil seiner eigenen Bevölkerung behandelt er wie Abschaum, aber andere Völker behandelt er noch viel schlimmer. Oberst Klein, der für die Ermordung von Zivilisten in Afghanistan auch noch zum General befördert worden ist, ist nur ein Beispiel für die Menschenverachtung durch den bundesrepublikanischen Staat.

Aber wenn sogar so moderne Staaten wie die BRD noch immer zutiefst repressiv sind, was bringen dann Rechte, Menschenrechte und andere Errungenschaften? Sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und dergleichen dann nicht nutzlos und bloße Fassade im Sinne der Herrschenden? Nein. Die Errungenschaften, die über Jahrhunderte und Jahrzehnte erkämpft worden waren, sind neben dem Leben selbst das größte Gut für die Menschheit. Aber sind die Errungenschaften nicht automatisch gekommen? Immerhin entwickelt sich die Gesellschaft ja stets weiter. Nein. Die gesamten Errungenschaften für die Menschheit sind Errungenschaften, die den herrschenden Klassen im Klassenkampf abgerungen worden waren. Alles andere ist schlecht gewordener Quark.

Die Erkämpfung von Menschenrechten in weltweiten Klassenkämpfen


Die gesamten Errungenschaften für die Menschheit sind also Errungenschaften, die den herrschenden Klassen im Klassenkampf abgerungen worden waren? Ist dem so? Was ist denn mit der Demokratie, mit der Gleichheit vor dem Gesetz, mit der Pressefreiheit, mit der Krankenversicherung, mit dem Verbot der Kinderarbeit, mit der Schulbildung, mit der Aufklärungsphilosophie, mit der Emanzipation der Frau und dem Ende der Sklaverei? Sind das etwa im Klassenkampf errungene soziale Errungenschaften? Kamen diese Dinge an sich nicht automatisch zustande? Waren sie nicht ein an sich natürliches Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung? Sind sie nicht Teil der menschlichen Natur?

Nein, allein schon die Idee ist zum Totlachen lächerlich. An sich wurden all diese Dinge von unterdrückten Menschen für sich errungen, mit viel Mühen und im Klassenkampf, d.h. sie sind soziale Konstrukte, die den Herrschenden aller Zeiten mit Gewalt abgezwungen wurden. Denn die Herrschenden hatten an sich zunächst keinerlei Interesse an diesen Dingen. Aber sobald die Dinge sich durchgesetzt hatten und es nicht mehr normal war, Kinder zur Arbeit zu schicken oder Bürger vor dem Gesetz offenbar ungleich zu behandeln, war es im Interesse der herrschenden Klassen, diese Errungenschaften in gewissem Maße für sich zu vereinnahmen und sie in gewisser Weise nicht anzuzweifeln.

Die Ideale der französischen Revolution mussten im Klassenkampf durchgesetzt werden.

Denn das Verbot von Kinderarbeit, von Sklaverei, von Vergewaltigung in der Ehe etc. und die selbstverständlich erscheinenden Rechte der Frau, wählen zu können, nach eigenem Gewissen abtreiben zu können, sich scheiden zu können etc. sind ebenso Früchte des schärfsten Klassenkampfes wie die Proklamation der Menschenrechte in der französischen Revolution von 1789 und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948.

Das Recht auf Klassenkampf ist das Recht der Menschen


Unser Fazit kann lauten: Das Recht auf Klassenkampf ist das ureigenste Recht der Menschen. Die Menschheit ist in höchstem Maße an Klassenkampf interessiert. Ohne Klassenkampf käme die Menschheit keinen Schritt voran. Es gibt aber, seit es die Klassengesellschaft gibt, an sich ohnehin keinen Moment, in dem es nicht zum Klassenkampf kam. Klassenkampf und Klassengesellschaft sind im Grunde das selbe. Das eine ist daher ohne das Andere nicht denkbar. Die Utopie einer kapitalistischen Klassengesellschaft ohne Klassenkampf ist bloßes Fantasieprodukt wie das Schlaraffenland auch. Es kann keine Klassengesellschaft ohne Klassengesellschaft geben. 

Allerdings kann Klassenkampf zurückgedrängt, gedämpft und verschleiert werden. Es kann, wie heute in Deutschland z.B., dazu kommen, dass Klassenkampf fast nur von einer Seite betrieben wird. Es kann zu einer relativen Dominanz des Klassenkampfes von oben kommen. Es kann passieren, dass sich die unterdrückten Klassen kaum wehren, stumm und passiv bleiben, während zugleich ihre innersten Klasseninteressen mit Füßen getreten werden. Die Schlangenlederstiefel der Herrschenden können unter Umständen auf die Pantoffeln der Beherrschten treten, ohne das letztere aufschreien, protestieren oder rebellieren. Das ist in Deutschland im Grunde in den letzten Jahrzehnten passiert. In Griechenland passiert dagegen zur Zeit etwas ganz Anderes. Da wird geschrien, protestiert und rebelliert was das Zeug hält. Allerdings reicht der Protest der griechischen Arbeitenden nicht aus, um die Menschenfeind-Clique des dunklen Lords Angelo Merte zu verscheuchen, die mit Klassenkampf von oben ganz Europa verwüstet.

In der französischen Revolution von 1789, in der russischen Revolution von 1917, in der deutschen Revolution von 1918, in der chinesischen Revolution von 1925-1927, in der spanischen Revolution der 30er Jahre und so weiter kam es dagegen zur Dominanz des Klassenkampfes von unten. Die unterdrückten Klassen wurden selbstbewusst und wagemutig. Daher nahmen sie sich das Recht, mit dem "letzten Mittel", dem Aufstand, die Herrschenden und Tyrannen dieser Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Dem Menschen wäre mehr von diesem "Schrecken" zu wünschen, damit überall auf der Welt die Menschenrechte durchgesetzt werden.


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