Mittwoch, 6. Januar 2016

Lemmansky: "Bloggen ist gesellschaftspolitisch irrelevant"

Mal eine schöne selbstkritische Betrachtung eines Blogger-Leidensgenossen Lemmansky, der die Einsamkeit des Bloggens kennt, die von DER FREITAG hier kopiert wird:

"Bloggen ist gesellschaftspolitisch irrelevant"


Politisches Bloggen ist auch nicht mehr als nur ein Hobby, so wie Segelfliegen oder Bogenschießen. Wer glaubt mit seinen Texten einen gemeinen Hurrikan der Entrüstung entfachen zu können, der irrt. Die realen Auswirkungen geistreicher Texte im Internet gehen gegen Null, da der Austausch meist ohnehin nur zwischen den bereits Aufgeklärten stattfindet. Es spielt sich alles nur in einem engen Kreis von Privilegierten ab, die über die nötige Zeit, den Intellekt und die Muße verfügen, ihre Entrüstung in intellektueller Form zu äußern.

Der Blogger schreibt in erster Linie für sich selbst. Mit der Veröffentlichung seiner Gedanken erhofft er sich für einen kurzen Moment das Gefühl von positiver Anerkennung. Doch dieses Glücksgefühl ist nicht von langer Dauer und so spekuliert er darauf, sich durch intensiven Austausch und intellektuelle Arbeit auch langfristig einen Namen zu machen - Man soll ihn ernst nehmen, er will gelesen werden. Wer das erreicht, der wird nachhaltiger von der Anerkennung profitieren und sein Glück langfristig steigern.

Der Weg zum Erfolg ist mit viel Grübelei verbunden. Es ist echte Arbeit gut zu schreiben, die aber auch eine Menge Spaß machen kann, wenn man denn dafür geboren ist. Wer dabei politisch wird, der darf sich allerdings nicht der Illusion hingeben, Bloggen wäre mehr als nur ein Hobby. Sicher es schult nebenbei die Fähigkeit zum analytischen Denken und auch die Schreiberei wird einem auf Dauer leichter fallen. Doch auch andere Hobbys haben positive Nebeneffekte, die im Alltag von Nutzen sein können. Dafür bloggt allerdings niemand. Die meisten fleißigen Schreiber würden wohl höhere Ziele, wie das von einer gerechteren Gesellschaft für ihre Motivation verantwortlich machen. Manch einer hebt sich dabei jedoch auf ein zu hohes moralisches Ross. Wer diesem Ziel in voller Ernsthaftigkeit näher kommen will, der muss auf die Straße, in die Linkspartei und der muss vor allen Dingen endlich damit aufhören neoliberale Pseudoargumentationen zur Grundlage seiner Empörung zu machen. Es sitzen uns keine neoliberalen CDU’ler oder SPD’ler gegenüber, die uns ernsthaft anhand von Argumenten überzeugen wollen. Sie haben überhaupt keine Argumente für ihre Politik und sie werden auch nicht dafür bezahlt, Politik zu machen, die ihnen welche liefern würde. Sie werden lediglich dafür entlohnt auch weiterhin so zutun als hätten sie welche. Allein aus diesem Grund ist es den Aufwand überhaupt nicht Wert, mit ihnen über ihre Aussagen zu diskutieren. Das ist so als würde man zwanghaft versuchen einem Psychopathen davon zu überzeugen, dass er krank ist. Zumal der einzelne Blogger als Teil einer winzigen Gegenöffentlichkeit medial nicht mal im Ansatz gegen die geplante Brustvergrößerung einer Gina Lisa ankommt. Es ist so, wie es Jens Berger sagt: „Mit Bloggerblumen gegen Medienpanzer“. Doch selbst wenn die BILD als Königstiger unter den Panzern wochenlang auf Seite drei und vier die kritischsten der kritischen Blogeinträge veröffentlichen würde, es würde sich nichts ändern. Möglichweise würden die Leser noch ihr Geld wegen zu viel unnötigem Text zurückverlangen.

Wer seine Zeit effizient im Kampf gegen Ungerechtigkeiten nutzen will, der darf nicht Bloggen, der muss aufstehen. Worte verändern in diesen Zeiten nichts mehr. Der Bürger den es zu überzeugen gilt, der liest nicht die Hinweise des Tages auf den NachDenkSeiten. Was eine Gegenöffentlichkeit braucht ist Macht und eine Partei, die ihre Interessen vertritt. Macht gewinnt man durch Radikalität. Keine linke oder rechte Radikalität, sondern eine Radikalität der bedingungslosen Ablehnung neoliberaler Politik. Ein Albrecht Müller weiß, wie korrupt und antidemokratisch wir regiert werden. Doch auch er leistet sich häufig noch einen gemäßigten Ton, denn wer zu konsequent und radikal verurteilt, verliert seinen Zuspruch von denen, die noch im Weichspüler festhängen und Angst vor der frontalen Realität haben. Der Realität von 99%iger Volksverdummung.

Die Partei für mehr Gerechtigkeit, die gibt es bereits in Form der Linkspartei. Ihre Abgeordneten sind die einzigen, die an der Quelle sitzen und durch mehr Zustimmung wirklich etwas bewegen könnten. Auch die Linkspartei hat zweifellos Schwächen. Doch im Gegensatz zu den anderen Parteien, ist sie nicht Teil des Kasperletheaters um die Macht. Sie ist im Grunde die einzige demokratische Partei Deutschlands. Wer etwas ändern will, der muss hier ansetzen und der muss in der Realität beginnen. Hagen Rether merkt zu Recht an: "Nicht über RWE jammern und dann weiterhin dort Strom einkaufen. Einfach mal wechseln, das würde was ändern." Das gilt auch für die Blogger. Wer über den Datenschutz von facebook jammert, der sollte dort keinen Account haben, wer über die Ausbeutung der Rohstoffe von Entwicklungsländern jammert, der sollte sich nicht jeden Monat ein eines Smartphone zulegen oder jede noch so kleine Strecke mit dem Auto zurücklegen. Natürlich ist jeder neue Aufgeklärte ein Zugewinn, aber auch er ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Doch auch der der aufsteht und moralischer lebt, braucht nicht zu viel erwarten. Ob es nun die Linkspartei ist, ob es die Blogger sind - Alle samt verkennen einen entscheidenden Punkt. Die Medien sind nur solange vierte Gewalt, solange es den Menschen noch einigermaßen gut geht. Erst ab dem Zeitpunkt, von dem an die Unterschicht ums nackte Überleben kämpfen muss und der Mittelstand einen Großteil seines westlichen Lebensstandards eingebüßt hat, wird sich etwas ändern. Von da an ist es mehr oder weniger egal, was die Medien tun oder lassen. Solange wir noch nicht an diesem Punkt angelangt sind, wird sich auch nichts ändern, da können sich alle noch so die Finger wund schreiben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen